Page 19 - 35 Jahre Quedlinburger Musiksommer
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Der Quedlinburger Musiksommer ab 1981 –
           ein Festival für Klassische Musik
            Gottfried Biller, der im Herbst 1980 die Nachfolge  lischen Lyrik« ein. Später kamen noch die Gregorianik,
           des Domorganisten Arno Bartel angetreten hatte,  Pop und Zwölftonmusik dazu.
           knüpfte an die Grundlagen an, die Walter Kopf, Arno  Die Stadt Quedlinburg bietet für solche Veranstaltun-
           Bartel und Carl Künne mit ihren in loser Folge statt -  gen ein ganz besonderes Flair: Im nördlichen Harzvor-
           findenden Sommermusiken gelegt hatten. Gleich zu Be-  land liegend, wird die historische Altstadt mit ihren
           ginn seiner Tätigkeit erstellte er ein neues Konzept für  mittelalterlichen Strukturen und malerischen Fachwerk-
           den musikalischen Sommer in Quedlinburg, indem er  bauten von einer Stadtmauer samt Wehrtürmen um-
           ein Festival für klassische Musik mit festen Strukturen  schlossen und von der 1129 geweihten romanischen
           installierte. Im Mittelpunkt stand immer die Pflege der  Stiftskirche St. Servatii auf dem Schlossberg überragt.
           Kirchenmusik. Die Konzerte fanden in der Regel  Diese Kirche ist die Heimstatt des Quedlinburger
           wöchentlich statt. Zu damaliger Zeit waren derartige  Musiksommers. Die Fortschreibung der Quedlinburger
           Veranstaltungsreihen weit weniger verbreitet als heute,  Musikgeschichte konnte nicht an der Stiftskirche vor-
           wo das Interesse an Kirchenmusik soweit geht, dass sich  beigehen. Da war es auch kein Wunder, dass sich Biller
           nicht nur kirchliche Veranstalter der Passionen, großer  insbesondere in den ersten Jahren seiner Tätigkeit bei
           Messen und Oratorien annehmen. Meinrad  Walter  der inhaltlichen Gestaltung des Quedlinburger Musik-
           nennt 2015: Internationale Orgelwoche Nürnberg -  sommers mit der Architektur, dem Klang, der liturgi -
           Musica sacra seit 1951; Fürther Kirchenmusiktage seit  schen Bedeutung dieses Sakralbaus früher und heute
           1964; Festival Europäische Kirchenmusik Schwäbisch  auseinander setzte. Die besondere Atmosphäre des ro-
           Gmünd seit 1989; Ökumenisches Kirchenmusikfestival  manischen Kirchenraums bezog er ganz bewusst in das
           in Köln seit 1997; Ouverture spirituelle seit 2012 zur  Konzept ein, denn »die Klarheit und Schlichtheit der Ar-
           Eröffnung der Salzburger Festspiele.  (24)  chitektur lässt es zu, dass die Musik unmittelbar wirken
            Sicher war Biller selbst gar nicht die Tragweite seiner  kann« wie er 1992 schrieb.  (3)
           Vorgehensweise bewusst. Seinen besonderen Reiz erhielt
           dieser neue Konzertreigen durch »Ausflüge« in benach-  1981 rief Gottfried Biller die sommerliche Kon -
           barte Bereiche, wie die Kammermusik, den Jazz, die  zertreihe mit 14 Konzerten ins Leben, die später
                                                                                    (4)
           zeitgenössische moderne Musik oder die Sinfonie. Jazz  »Quedlinburger Musiksommer« heißen sollte  . Dies
           stand damals nicht auf der offiziellen Wunschliste. Die  war ein  Paukenschlag, denn eine solche Fülle an -
           Einschnitte in die kulturelle Entwicklung der DDR  spruchsvoller Konzerte zwischen Himmelfahrt und Mitte
           durch das 11. Plenum des ZK der SED vom Dezember  Oktober gab es hier noch nie. Und so führte Biller kon-
           1965, dessen Anklagen gegenüber den Kulturschaf-  sequent seine Vision in den nächsten Jahren fort, den
           fenden Ausbürgerungen, Verbote von Büchern, Filmen  Quedlinburgern und Touristen gute Musik in der romani -
           und Musikrichtungen zur Folge hatten, wirkten nach.    schen Stiftskirche und in den Stadtkirchen näher zu brin-
           Deshalb führte Biller die »Improvisationen zur bib -  gen – ein kreativer, aber sehr mühsamer Weg lag vor ihm.


























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