Page 12 - 35 Jahre Quedlinburger Musiksommer
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Kirchenmusik in der Quedlinburger Stiftskirche

                            Schukeorgel, Oratorienchor – und ein Musiksommer.  Schuke sich bereit fand, sozusagen „in die zweite Reihe“
                           Wem man diese drei »Komponenten« vorstellt, der wird  zu bauen, ist ein Handkuss für die Stiftskirche, unseren
                           wohl unweigerlich an ein (kirchen-)musikalisches Zen-  „Dom“. Der macht kein unvergleichliches Klangerleb-
                           trum denken. Quedlinburg ist ein solches  kirchen-  nis wie andere Domorgeln mit ihren Domen. Aber
                           musikalisches Zentrum und soll es bleiben. Das  warum auch? Die Orgel ist eine besondere Ehre für den
                           schreibt sich indes schnell aufs Papier. Heute sind die  Dom. Sie soll es bleiben.
                           Voraussetzungen für ein solches Vorhaben andere als vor  Und weiter: Der Quedlinburger Musiksommer ist
                           35, 45 oder 50 Jahren (den Jahreszahlen der Jubiläen,  gewiss nicht die Spange, die Sachsen-Anhalts Musik-
                           denen diese Festschrift gewidmet ist). Ob auf der  landschaft zusammen hält. Hier wäre es besonders
                           Grundlage der – in unserem Fall in der Kunstwelt ver-  töricht, zu fragen, welches Ranking diese oder jene Ver -
       Christoph Carstens
                           gleichsweise jungen – Geschichte dieser drei Jubilare  anstaltung gewonnen hat. Er ist. Er klingt. Er über-
                           eine Zukunft in Fortsetzung, Neugestaltung, Konzen-  rascht. Er rührt. Er zieht Leute den Berg hinauf und
                           tration, Bewahrung oder allem zugleich entsteht, hängt  manchmal zieht er in die Stadt hinunter. Er soll bleiben.
                           ja nicht davon ab, ob etwas sich als Zentrum behaupten  Nun wird keiner den Kern ausfindig machen, der un-
                           konnte, sondern ob der Platz dafür hergerichtet wird –  ablässig die Energie spendet, dass diese drei bleiben, wie
                           auch ohne die sonst übliche Garantie, dass es sich auch  ich es hier ja faktisch ausgerufen habe. Auch ich hüte
                           in 10 oder 20 Jahren noch »lohnt«, so etwas zu tun. Das  diesen Nukleus nicht, auch wenn er uns vielleicht
                           lässt sich nicht allein daran messen, ob das Publikum  mancher Grübeleien und Unsicherheiten entheben
                           erreicht wird. Es wäre fahrlässig, abwartend darauf zu  dürfte, gäbe es ihn. Aber für die Festschrift soll es doch
                           schauen, ob sich ein künstlerisches Anliegen gegen ein  mal erlaubt sein, den Dreien ein langes Leben zu wün-
                           anderes behaupten kann. Da entstünde keine Kunst.  schen, einfach so, weil man sich das Kommende ohne
                           Künstlerische Brillanz entsteht nicht im Aneinander-  sie nicht gerne vorstellen mag, und weil die Kunst eben
                           Messen sondern ist das Ergebnis von kräftigen kunst-  nicht aus der prachtvollen Fülle entspringt sondern aus
                           fördernden Impulsen.                    dem Wunsch, sich zu zeigen, sich hörbar und erlebbar
                            In diesem Fall kommt noch Mehreres hinzu: Der  zu machen. Jenen, die dennoch unermüdlich daran
                           Ora torienchor ist ein Chor, der in der Region Quedlin-  denken, dass auch diese Kunst ihr Auskommen braucht,
                           burg die Möglichkeit gibt, dem Chorgesang von be-  sei herzlich gedankt. Legen Sie alle zusammen, damit
                           gabten Sängerinnen und Sängern, die ihre Begabung  sie bleibt!
                           nicht als Profession verstehen und pflegen, ein wir -  War das alles? Ganz gewiss nicht. Herr KMD Gott -
                           kungsvolles Miteinander zu geben. Hier werden Talente  fried Biller hat die Hand ins Feuer, die Stirn in Falten,
                           eingebracht und gefördert. Und wäre der Chor nicht da,  sich selbst ins Zeug, die Leidenschaft in die Sache, die
                           könnte niemand dasselbe auch gut zwei Straßen weiter  Sachkunde ins Geschäft und den Blick auf die Musik
                           machen. Der Oratorienchor ist nicht einmalig im Land,  gelegt. Die Evangelische Kirchengemeinde ist sehr
                           aber er ist einzig für die, die hier ihre musikalische Gabe  dankbar dafür. Sehr. Grammatisch ist das nur schlicht
                           entdecken und entwickeln wollen. Deshalb soll er  auszudrücken. Gefühlt geht es hier nur im Superlativ:
                           bleiben. Das ist das Eine.              sehr, sehr dankbar. Überraschender Weise ist dasselbe
                            Dann die Orgel. In der Stiftskirche gehört sie zu den  gemeint, wenn hier und da gesungen oder gebetet wird:
                           zurückhaltenden Ausstattungsstücken, deutlich ist zu  Deo Gratias.
                           erkennen, dass hier Romanik und mittelalterliche
                           Geschichte den Primat haben, dazu ein Hauch tradi-
                           tionsreicher Liturgik in Bildern, Schätzen, Steinen,
                           Gottesdiensten. Die Besucher honorieren das. Keiner  Pfarrer Christoph Carstens
                           würde spontan danach fragen, wann das nächste
                           Domkonzert auf der Domorgel zu hören sein wird. Dass

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