Page 99 - 35 Jahre Quedlinburger Musiksommer
P. 99
nungen, Probenräume, später die Sponsorenwerbung
und Fördermittelanträge). Seine einführenden Texte zu
den Konzerten waren auch immer ein Stück Musik-,
Zeit-, Regional- und Weltgeschichte.
Das reale Zeitgeschehen war währenddessen ganz und
gar nicht spannungsfrei. In den bewegten 1980er Jahren
kam Udo Lindenbergs »Sonderzug nach Pankow« in
Fahrt, und auf dem Evangelischen Kirchentag in Wit-
tenberg wurde 1983 das erste Schwert zu einer
Pflugschar umgeschmiedet. (17) In Polen galt 1981 bis
1983 das Kriegsrecht. Gorbatschow war ab 1985 Gene -
ralsekretär des ZK der KPdSU. 1987 überreichte Udo
Lindenberg Erich Honecker in Wuppertal eine Gitarre,
auf der: »Gitarren statt Knarren« stand. – Alles Provoka-
tionen!
Das Jahr 1989 brachte die kritische Zuspitzung der
Unzufriedenheit und schließlich die friedliche Revolu-
Für die historische Altstadt
tion in der DDR. Biller erinnert sich: »Bis zur Wende
Quedlinburgs kam die Wende
1989 lebte ich im Innenbereich der Kirche. Politisches En- gerade noch rechtzeitig
gagement zu DDR-Zeiten war für mich nicht denkbar.
Christine Kunze und Gottfried
Mit der Wende veränderte sich meine Grundhaltung.« (7, 8)
Biller gründeten den Jugendchor
Jetzt übernahm er Verantwortung, war bis Anfang
Mai 1990 Vorsitzender des Runden Tisches in Quedlin- Auftritt des Jugendchors in der
St. Blasiikirche
burg. Er gehörte zum Bürgerforum, blieb aber parteilos.
Ein schwieriges Unterfangen war die Jugendbegeg-
nungs- und Arbeitsstätte um St. Aegidius e.V. (JUBA).
Sie wurde 1991 gegründet, um die Annäherung von Ju-
gendlichen aus Ost und West zu fördern. Es fanden in-
ternationale Seminare und wissenschaftliche Tagungen
statt. Kinder und Jugendliche hatten Übungsräume.
Gottfried Biller war ehrenamtlicher Geschäftsführer des
Vereins, der sich nicht in die geregelten Strukturen
einordnen ließ. Die konzeptionellen Vorstellungen der
Initiatoren und der Fördermittelgeber passten nicht
zusammen, so dass 1997 die Schließung erfolgte. Gott -
fried Biller bedauerte, dass diese Idee nicht nachhaltig
umgesetzt werden konnte. Als Stadtratsmitglied war er
im Sozialausschuss. Als die Vielfalt der Aufgaben nicht
mehr zur Zufriedenheit für alle Seiten geschafft werden
konnte, gab er 1997 auch diese Funktion auf. (17)
Gottfried Biller wurde Anfang der 90er Jahre
Propstei musikwart, zeitweise auch Kreismusikwart. Von
1999 bis 2009 war er Mitglied im Domschatz-Aus - über die Chorarbeit: »Durch die Neubesetzung der
schuss. Kirchenmusikerstelle St. Nikolai in Quedlinburg kann die
Inzwischen hatte es auch an der Nikolaikirche wieder Nachwuchsarbeit verstärkt werden, was hoffentlich auch
Veränderungen gegeben. Christine Kunze (später verh. Auswirkungen auf die Arbeit des Oratorienchores hat.« (2)
Bick) war 1992 als Kantorin eingestellt worden. Sie war Und so kam es auch. Gemeinsam bauten sie den Ju-
keine Unbekannte in Quedlinburg. 1989 hatte sie gendchor auf, arbeiteten viele Jahre eng zusammen: Kar-
während eines Praktikums mit dem Gemeindechor an freitag-Kreuzweg, Osterfeier 23.30 Uhr in der Stifts-
der Nikolaikirche gearbeitet, war 1991 in einem Musik- kirche, Osterfrühstück, Krippenspiele, Carl Orffs Weih -
sommer-Studentenkonzert an der Orgel aufgetreten nachtsgeschichte mit Musikschülern, Chorarbeit und
und kam zu der Taizégruppe nach Quedlinburg. Biller Chorfahr ten. Es entstand die »Vielharmonie«, eine In-
formulierte 1992 seine Hoffnungen in einem Bericht strumentalgruppe. (2)
Die Chorleiter – Gottfried Biller 97